Mate Choice Copying

Ein Schlüssel, der in jedes Schloss passt, ist etwas Besonderes.
Ein Schloss, in das jeder Schlüssel passt, ist wertlos.

Volksweisheit

Aussage
Die menschliche Partnerwahl ist nicht unabhängig. Zwischen den Partnerwahlen der Frauen besteht eine positive Korrelation, zwischen denen der Männer eine negative.
Oder etwas allgemeinverständlicher:
Frauen stehen auf erfahrene Stecher und begehrte Vergebene, für die es bereits eine lange Warteliste gibt. Männer stehen auf Single-Frauen, die bislang durch möglichst wenige Betten gehüpft sind.

Alternative Bezeichnungen
Nachahmungseffekt, Mate Copying*, Nonindependent Mate Choice, Hugh Heffner Effect, Wedding Ring Effect

Alltagsbeobachtungen

  • Frauen mit ausschweifendem Sexualleben werden als Schlampe, Flittchen, Matratze etc. bezeichnet. Für Männer gibt es keine entsprechenden Verunglimpfungen. (Allenfalls Begriffe, die mehr Neid als Verachtung beinhalten, wie z.B. „Stecher“.)
  • In den meisten (traditionellen) Kulturen wird weibliche Jungfräulichkeit beim Eheeintritt erwartet, während es bei Männern akzeptiert wird, dass sie sich vorher „die Hörner abstoßen“. (In Europa durften Beispielsweise Frauen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein kein weißes Brautkleid tragen, wenn diese vor Eheeintritt ihre Unschuld verloren hatten. Für Männer gab es keine entsprende Vorschrift.)
  • Der Satz „Ich hab einen Freund“ ist ein verbreitetes und effektives Instrument, mit dem Frauen unerwünschte Verehrer abwehren.
  • TV-Sendungen, in denen viele weibliche Protagonisten um einen Mann buhlen sind deutlich erfolgreicher als solche mit umgekehrter Geschlechterbesetzung (z.B. Der Bachelor/Die Bachelorette)
  • Islamistischen Selbstmordattentätern werden 72 Jungfrauen versprochen, keine sexuell erfahrene Frauen mit ganz vielen Verehrern.
  • Slut Shaming / Virgin Shaming:
    Männer werden tendenziell eher verspottet, wenn sie sehr wenige Sexualpartner hatten, Frauen wenn sie sehr viele hatten. (Den umgekehrten Fall gibt es auch, aber wesentlich seltener.)
  • Männliche Partner werden bei weiblichen Stars als Karrierehindernis gesehen – was dazu führen kann, dass diese freiwillig oder aufgrund vertraglicher Verpflichtungen vor der Öffentlichkeit geheim gehalten werden.

Pick-up-Techniken, die auf Mate Choice Copying beruhen

Evolutionsbiologische Begründung
Was spricht für und gegen ein Kopieren der Partnerwahl?
Vorteile:

  • Qualitätssicherung bei unvollstädiger Information hinsichtlich des evolutionären Werts des Partners, indem positive Bewertungen durch Konkurrenten in die eigene Partnerwahl mit einbezogen werden. (Qualität besteht hier aus genetische Qualität und Schutz- und Versorgungsqualität.)

Nachteile:

  • Geringere Erfolgschance bei der Partnerwerbung, da möglicherweise der Konkurrent bevorzugt wird
  • Geringere Befruchtungswahrscheinlichkeit, da direkt nach einer Befruchtung durch einen Konkurrenten keine weitere Befruchtung möglich ist
  • Höhere intrasexuelle Konkurrenz und damit mögliche physische Gefährdung durch Konkurrenten
  • Höhere Wahrscheinlichkeit, für den Nachwuchs eines Konkurrenten („Kuckuckskind“) aufkommen zu müssen
  • Geschlechtskrankheiten, die durch den Konkurrenten übertragen wurden

Bei Frauen ist der Faktor Qualitätssicherung der klar dominierende, da für sie die Kosten einer Fehlinvestition (9 Monate Schwangerschaft + viele Jahre Ernährung und Betreuung eines Kindes ohne Schutz und Versorgung durch einen geeigneten Partner + Opportunitätskosten) enorm sind, während sie für Männer minimal sind (einige Stunden für Verführung und Sex). Ferner ist die Informationslücke bei Frauen ungleich größer, denn die Fähigkeit, die (hauptsächlich vom Mann zu übernehmende) Aufgabe von Schutz und Versorgung zu leisten hängt stark von seinem Rang in der Gruppe ab und kann nicht unbedingt an Körpermerkmalen abgelesen werden. Auch der Faktor Geschlechtskrankheiten ist bei Frauen etwas gewichtiger, da Männer beim Sex mehr Körperflüssigkeit auf die Frau übertragen als umgekehrt.
Bei Männern dominieren hingegen die Faktoren Erfolgschance (Frauen sind das wählerischere Geschlecht), intrasexuelle Konkurrenz (physische Angriffe durch Männer sind potentiell gefährlicher), Kuckuckskind (bei Frauen praktisch ausgeschlossen) und Befruchtungswahrscheinlichkeit (Frauen sind nach einer Befruchtung für mindestens 9 Monate unfruchtbar, während Männer weniger als eine Stunde pausieren müssen („Refraktärphase„)).
Insgesamt überwiegen also bei Frauen die Vorteile und bei Männern die Nachteile.

Wissenschaftlicher Nachweis
Frauen finden Fotos von Männern attraktiver, wenn diese als vergeben beschrieben werden. (Umgekehrter Effekt bei Männern)

Jessica Parker, Melissa Burkley; 2009; Who’s chasing whom? The impact of gender and relationship status on mate poaching; Journal of Experimental Social Psychology 45; 1016–1019

Frauen finden Fotos von Männern attraktiver, wenn diese von Frauen angelächelt werden. (Umgekehrter Effekt bei Männern)

Jones, DeBruine, Little, Burriss, and Feinberg; 2007; Social transmission of face preferences among humans.; Proc Biol Sci. 274(1611):899-903

Frauen finden Männer attraktiver, wenn diese in Begleitung einer attraktiven Frau sind. (Aber nicht, wenn die Begleitung unattraktiv ist.)

D. Waynforth; 2007; Mate Choice Copying in Humans; Human Nature

Versuchspersonen werden Videoaufnamen eines realen Speeddatings gezeigt. Männer und Frauen finden Personen des anderen Geschlechts attraktiver, wenn deren Flirtpartner Interesse gezeigt hat.

S. S. Place, P. M. Todd, L. Penke and J. B. Asendorpf; 2010; Humans show mate copying after observing real mate choices; Evolution and Human Behavior, 31(5), 320-325

Mate Choice Copying bei Frauen wird durch alle Studien zweifelsfrei belegt. (Dies ist auch der für dich als Mann interessantere Teil der Aussage.) Bei Männern wurden sowohl positive als auch negative Korrelationen in der Partnerwahl festgestellt. Dazu folgende Erklärungsversuche:

Alle zitierten Studien haben den Faktor Ansprechen und Eskalieren ausgeblendet. Die damit einhergehenden Ängste führen jedoch zu Angstvermeidungsverhalten (z.B. Nichtansprechen von Frauen, bei denen man Ablehnung befürchtet), welches die Partnerwahl in erheblichem Maße beeinflusst. Da Männer in der Regel die Aufgabe des Eskalierens übernehmen müssen, ist bei Männern eine deutliche Abweichung zwischen den Studien und der Realität nicht unwahrscheinlich.

Eine weitere mögliche Ursache ist der folgende (auch für sich genommen interessante) „Porno-Effekt“:
Wenn Männer Videos von Frauen, die Sex mit anderen Männern haben (sog. Pornos) sehen, fühlen sie sich in der Regel erregt und empfinden keine Eifersucht. Wenn sie jedoch die sexuell aktive WG-Mitbewohnerin durch die Wand durchstöhnen hören oder wenn im Urlaub die Reisebegleitung sich was zum Bumsen mit ins gemeinsam genutzte Hotelzimmer bringt, kommen eher weniger Menschen in Onanierlaune. (Die meisten ABs werden traurig bis depressiv, viele Normalos nehmen es mit Humor, fragen z.B. „Darf ich mitmachen?“ oder feuern die Kopulierenden an.) Der MMF-Dreier ist in Pornos sehr beliebt, während viele Männer gegenüber diesem sog. Teufelsdreier deutliche Vorbehalte haben.
Unser Gehirn macht offenbar einen großen Unterschied zwischen hypothetischen und tatsächlichen Partnern bzw. Konkurrenten. In Videodarstellungen uns unbekannter Personen ist uns völlig klar, dass wir niemals selbst mit den Darstellern sexuell interagieren werden. Wir sehen die männlichen Darsteller nicht als Konkurrenten, sondern identifizieren uns mit diesen. Somit ist positives Mate Choice Copying zu beobachten. Im realen Leben, wenn ein Mann eine Frau verführen möchte und einem realen Konkurrenten begegnet, ist jedoch negatives Mate Choice Copying zu erwarten.

In der Arbeit von Place et al. hat die als besonders realistisch beschriebene Methode mit den Videoaufzeichnungen vermutlich zu einer stärkeren Identifikation mit dem Konkurrenten (Porno-Effekt) und damit zu positivem Mate Choice Copying geführt. Um die Frage des Mate Choice Copying bei Männern zu klären müsste man das tatsächliche Partnerwahlverhalten erforschen, z.B. durch verdeckte Beobachtungen in Bars und Diskotheken. Ferner steht eine wissenschaftliche Einordnung der unter „Evolutionsbiologische Begründung“ und „Alltagsbeobachtungen“ genannten Argumente noch aus.

* Die Verkürzung des Begriffs „Mate Choice Copying“ zu „Mate Copying“ finde ich etwas unglücklich, da letzteres wörtlich genommen ein Kopieren des Partners ist, der gemeinte Effekt jedoch ein Kopieren der Partnerwahlen der Konkurrenten ist.


Siehe auch:
Wissenschaftliche Erforschung des Pick-ups
Coming Out als AB

Weblinks:
Nachahmungseffekt, Wikipedia
Mate choice copying, Wikipedia

„Von anderen Frauen bereits für gut befunden“ (Pre-approved by other women) macht attraktiv, Alles Evolution
She wants someone who is already wanted, Alpha Game
¡SCIENCE! you dirty whore: Study Proves Women Love Men Who Are Loved By Women, Château Heartiste

(via)

zum Thema Slut Shaming:
Männer, die viel Sex haben sind Helden, Frauen die viel Sex haben sind Schlampen?, Alles Evolution
Doppelstandards bei Nacktfotos?, Alles Evolution
Schlampen und Helden – „Keiner kauft gern benutzte Ware“, taz
Ich bin eine Schlampe – ach nee, ein Mann, bento

zum Thema Virgin Shaming:
Beschämungen männlicher Jungfräulichkeit, Alles Evolution
Why is „virgin shaming“ acceptable in feminist circles, Quora
Virgin shaming is just as bad, if not more prominent than slut shaming, The Unpopular Opinions
Male virginity shaming, Lion of the Blogosphere
Stop Virgin Shaming, Liberty without Apologies
Why do people even make fun of virgins?, Forever Alone Reddit

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